Jülich „under­ground“

Jülich. Die Zita­del­le von unten erleben.

Die Kase­mat­ten im Wan­del vom Horch­gang zum Luftschutzbunker.

Die Jüli­cher Zita­del­le ist in ihrem Ent­wurf wie in ihrem Erhal­tungs­zu­stand in Nord­west­eu­ro­pa nahe­zu ein­zig­ar­tig.  Erkun­den Besu­chen­de sonst das Bau­werk eher von außen und oben, bie­tet sich ihnen ab sofort ein wei­te­res High­light, das dabei wört­lich betrach­tet das genaue Gegen­teil bie­tet – näm­lich tief und dunkel… 

Tief unten in den Wäl­len und Bas­tio­nen der Zita­del­le ver­lau­fen kilo­me­ter­lan­ge ver­win­kel­te, teils enge Gang­sys­te­me. Sie enden in den Kano­nen­hä­fen der Bas­tio­nen, wo sie sich in gro­ßen hal­len­för­mi­gen Gewöl­ben öff­nen. Die Gän­ge sind ein Kase­mat­ten­sys­tem sowie spä­ter ange­leg­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons­gän­ge, die auch als „Horch­gän­ge“ dien­ten. Sie soll­ten es ermög­li­chen zu hören, ob Angrei­fer die Fes­tung unter­mi­nier­ten, um sie durch die Explo­si­on von Pul­ver­la­dun­gen zu zer­stö­ren und ein­neh­men zu können.

Mit­te des 16. Jahr­hun­derts galt die hoch­mo­der­ne Fes­tungs­bau­wei­se der Zita­del­le mit brei­ten Wäl­len und pfeil­för­mi­gen Bas­tio­nen als opti­ma­ler Schutz gegen die sei­ner­zeit neu­ar­ti­gen Pul­ver­ge­schüt­ze. Die­ses Bas­tio­närs­sys­tem blieb im Grun­de für 300 Jah­re Stand der Ver­tei­di­gungs­tech­nik, ver­lor dann aber schnell an Bedeu­tung und geriet in Jülich unter einem hohen Baum­be­wuchs fast in Vergessenheit.

Doch im 2. Welt­krieg ent­sann man sich der dicken Wäl­le und der tie­fen Gang­sys­te­me der Zita­del­le. Sie dien­ten der Bevöl­ke­rung als Luft­schutz­räu­me, wovon noch heu­te sicht­ba­re Spu­ren zeu­gen. Auch nach dem Krieg dien­ten die Gewöl­be lan­ge als Not­un­ter­künf­te für die zurück­ge­kehr­te Bevöl­ke­rung des zer­stör­ten Jülichs.

Die­se unter­schied­li­chen Nut­zun­gen als Ver­tei­di­gungs­sys­tem und Luft­schutz­räu­me wer­den ab sofort mit der „JÜL­TU­BE“ für alle erleb­bar. „JÜL­TU­BE“ steht als Wort­spiel in Anleh­nung an die lie­be­voll „Tube“ (dt. „Röh­re“) genann­te Lon­do­ner U‑Bahn „Lon­don Under­ground“. Mög­lich macht die „JÜL­TU­BE“ die Koope­ra­ti­on von Muse­um Zita­del­le Jülich und dem För­der­ver­ein Fes­tung Zita­del­le Jülich, der auf Anre­gung von Muse­ums­lei­ter Mar­cell Per­se „die JÜL­TU­BE auf die Schie­ne gesetzt hat“, zwei Tou­ren auf einem „Stre­cken­netz“ ent­wor­fen und einen Infor­ma­ti­ons­fly­er gedruckt hat.

„Ich freue mich, dass wir mit dem För­der­ver­ein einen Part­ner haben, der die span­nen­de unter­ir­di­sche Welt der Ver­tei­di­gungs­sys­te­me der Zita­del­le und ihre Rol­le im 2. Welt­krieg als neue Erleb­nis­füh­rung mit ande­rem Schwer­punkt ein­bringt“, so Mar­cell Per­se als Lei­ter des Muse­ums Zita­del­le Jülich. „Natür­lich fährt da unten kei­ne U‑Bahn“, muss Dr. Rüdi­ger Urban als Vor­sit­zen­der des För­der­ver­eins alle ent­täu­schen, die sich Hoff­nung gemacht haben, bequem die unter­ir­di­sche Welt zu erle­ben. „Es ist ein­fach ein mar­kan­tes Wort­spiel. Viel­leicht avan­ciert die JÜL­TU­BE zu einem neu­en Jüli­cher Besu­cher­ma­gne­ten“, ergänzt er. „Auch, wenn man die­se tie­fen Gang­sys­te­me zu Fuß durch­wan­dern muss, die Gäs­te ler­nen vie­le neue Aspek­te zu ihrem Auf­bau und ihrer Funk­ti­on ken­nen – sowohl in ihren akti­ven Zei­ten als auch als Luft­schutz­räu­me im 2. Welt­krieg“, betont Gäs­te­füh­re­rin Marie­le Egberts.

Der För­der­ver­ein bie­tet zwei Tou­ren an. Die Tour „Horch­gang“ führt von der Johan­nes-Bas­ti­on durch die Westk­ur­ti­ne zur Sal­va­tor-Bas­ti­on, im Nor­den wei­ter zur Mari­an­ne-Bas­ti­on und durch die Ostk­ur­ti­ne wie­der hin­aus. Hier erschließt sich den Gäs­ten unter ande­rem der inne­re Auf­bau der Zita­del­len­wäl­le, das Angriffs‑, aber auch das Ver­tei­di­gungs­prin­zip der Unter­mi­nie­rung und in die­sem Zusam­men­hang die Funk­ti­on der Horch­gän­ge, die Spu­ren des gro­ßen Test­schie­ßens auf die Zita­del­le von 1860 sowie das Fes­tungs­bau­werk als „Tropf­stein­höh­le“.

Die Tour „Luft­schutz“ führt von der Wil­hel­mus-Bas­ti­on durch die Ostk­ur­ti­ne in die Mari­an­ne-Bas­ti­on und zurück zum Rave­lin Lye­beck. Ergän­zend zu den in bis­he­ri­gen Füh­run­gen ver­mit­tel­ten Grund­prin­zi­pi­en des bas­tio­nä­ren Fes­tungs­baus wird hier der Schwer­punkt auf die noch heu­te erkenn­ba­ren Spu­ren der Nut­zung der Kase­mat­ten im 2. Welt­krieg als Luft­schutz­räu­me sowie danach als Not­un­ter­künf­te gelegt.

Bei­de Tou­ren für jeweils maxi­mal 25 Per­so­nen füh­ren durch oft schma­le und nied­ri­ge unter­ir­di­sche Gän­ge, stre­cken­wei­se geht es aber auch ober­ir­disch über die Wäl­le. Sie wer­den aus­schließ­lich von Mai bis Sep­tem­ber ange­bo­ten, da in den ande­ren Mona­ten die Fle­der­mäu­se in den Kase­mat­ten über­win­tern. Not­wen­dig für die nicht bar­rie­re­frei­en Tou­ren sind stets fes­tes Schuh­werk und – falls vor­han­den – Taschen­lam­pen. Start der 90-minü­ti­gen Gäs­te­füh­rung ist an der Pas­qu­ali­ni­brü­cke, dem stadt­sei­ti­gen Ein­gang der Zitadelle.

Gebucht wer­den kön­nen die Tou­ren bei Gisa Stein im Amt für Stadt­mar­ke­ting, Tel.: 02461–63418, unter gstein@juelich.de oder per Buchungs­for­mu­lar unter www.juelich.de/gaestefuehrungen. Der Preis pro Füh­rung beträgt 50 Euro zuzüg­lich Muse­ums­ein­tritt in Höhe von 5,- Euro pro Per­son, ab zehn Per­so­nen gilt der Grup­pen­ta­rif von 4,- Euro pro Person.

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